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Offener Brief von VBIO und WGG an BMBF und BMEL
Nach dem EuGH-Urteil zu Genome Editing - Die Politik ist am Zug
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Offener Brief von VBIO und WGG an BMBF und BMEL
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Liste der Unterzeichnerinnen und Unterzeichner, Stand: 14.12.2018
Weitere Kolleginnen und Kollegen haben den offenen Brief an BMBF und BMEL unterschrieben
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Frankfurt a. Main/ Berlin, den 21.November 2018

 

Nach dem EuGH-Urteil zu Genome Editing – Die Politik ist am Zug

 

Sehr geehrte Frau Bundesministerin Klöckner,

sehr geehrte Frau Bundesministerin Karliczek,

 

im Juli dieses Jahres hat der Europäische Gerichtshof seine lange erwartete juristische Stellungnahme zur regulatorischen Einstufung von Mutageneseverfahren abgegeben. Aus Sicht der Richterinnen und Richter sind auch die Techniken des Genome Editing als gentechnische Methoden anzusehen und unterliegen somit allen Regularien der geltenden Gentechnikgesetze. Wie viele unserer europäischen Kolleginnen und Kollegen besorgt auch uns diese pauschale Einstufung und wir warten nun auf einen längst überfälligen Akteur: die Politik.

 

Als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind wir der Überzeugung, dass die beste Basis für gesellschaftliche Entscheidungen nachvollziehbare wissenschaftliche Fakten sind. Und die gilt es in Hinblick auf das jüngst gefällte  EuGH-Urteil nun neutral zu analysieren und einzuordnen, um sie sodann zur Grundlage des weiteren Geschehens zu machen. Bleibt nämlich das Urteil das letzte Wort und die EU-Gesetze auch weiterhin so wie sie sind, haben die Anwendungen des Genome Editing in der Europäischen Union kaum eine Chance. Die Folge wären dauerhafte und einschneidende Nachteile für Forschung und Entwicklung – beispielsweise in Hinblick auf dringend benötigte klimaresistente, nährstoffreichere und ertragreichere Nutzpflanzen zur Bewältigung ökologischer, ökonomischer und gesellschaftlicher Herausforderungen. Zudem steht zu befürchten, dass exzellente Forscherinnen und Forscher und mit ihnen ihr Know-how abwandern, weil sie in Europa keine Entwicklungsmöglichkeiten sehen.

 

Die Rechtsgrundlage für das im Juli ergangene EuGH-Urteil ist die Richtlinie 2001/18/EC, die gentechnisch veränderte Organismen (GVO) definiert und den Umgang mit diesen reguliert – basierend auf dem Wissensstand der 1990er Jahre. Heute hat sich das Wissen über Gene und Genome massiv weiterentwickelt. Die Richtlinie wird also dem Stand des Wissens nicht mehr gerecht.

 

Die Richterinnen und Richter haben entsprechend den rechtlichen Gegebenheiten geantwortet. Und zwar auf Fragen, die ihnen direkt gestellt wurden. Sie unterliegen keiner Verpflichtung, weitere Fachkompetenz einzuholen. Sie hätten es tun können, aber sie mussten es nicht und haben es auch nicht getan. So bezieht das  juristische Urteil naturwissenschaftliche Bewertungen  nicht mit ein. In der Politik wiederum hat man die schon lange notwendige Anpassung des Gentechnikgesetzes an den Stand der Wissenschaft seit Jahren vor sich her geschoben und schlicht nichts getan. Das Resultat: Juristinnen und Juristen werden in Sachen Gentechnik nach geltendem Recht gefragt und entscheiden nach geltendem Recht – und damit gleichzeitig nach Stand der Wissenschaft der 1990er Jahre.

 

Der Scientific Advice Mechanism (SAM), der wissenschaftliche Think Tank der Europäischen Kommission, hat in deren Auftrag durch Verfahren des Genome Editing entstandene Pflanzen untersucht und kam, ebenso wie beispielsweise die EFSA (und einer Vielzahl wissenschaftlicher Einrichtungen weltweit), zu dem Schluss, dass diese Pflanzen denen gleichzustellen sind, die durch konventionelle Züchtungstechniken erzielt werden können. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass es sich bei SAM und der EFSA um zwei von der Europäischen Kommission eingesetzte, wissenschaftliche Gremien handelt, deren Schlussfolgerungen wiederum vom Europäischen Gerichtshof diametral widersprochen wird. Als Wissenschaftler sehen wir nun die Politik am Zug, diesen Widerspruch aufzuheben.

 

So schwierig und politisch langwierig es auch sein mag, in den Gesetzen zumindest die GVO-Definitionen an den wissenschaftlichen Fortschritt anzupassen – nichts zu tun und die Dinge einfach laufen zu lassen, ist keine Alternative. Die Anwendungen des Genome Editing braucht klare Richtlinien, aber – und das ist essentiell - auf einer deutlich differenzierteren Ebene, als sie pauschal unter die strengen Regularien des Gentechnikgesetzes zu verbannen.

 

Wir haben die Chance, das zu diskutieren und auch auf nationaler Ebene abgestuft zu betrachten. Die viel beschworene Einbeziehung der Bürger muss dabei stattfinden. Was wir nämlich neben konsequentem und verantwortungsbewusstem politischen Handeln brauchen, ist ein fachübergreifender und ergebnisorientierter Dialog.  Kein zermürbender öffentlicher Schlagabtausch mit Hörschutz gegen die Argumente der anderen Seite oder das Ausrichten von Filterblasenveranstaltungen, in denen man sich nur gegenseitig in der zementierten Haltung bestärkt. Ziel muss es sein, mögliche Vor- und Nachteile für Umwelt und Gesellschaft zu diskutieren sowie offene Fragen zu klären, damit der Einsatz der Techniken effizient, zukunftsorientiert und zum Wohle aller gestaltet werden kann.

 

Bei all dem wollen wir Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gerne mithelfen. Was wir allerdings von Ihnen und anderen involvierten Politikerinnen und Politikern benötigen, ist Gehör und Unterstützung. Beides können Sie natürlich auch von uns vollumfänglich erwarten. Seien Sie deshalb versichert, dass wir für jeden konstruktiven Austausch sehr gerne zur Verfügung stehen.

 

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Prof. Dr. Klaus Dieter Jany, Wissenschaftlerkreis Grüne Gentechnik e.V. (WGG), Frankfurt am Main

 

 

Prof. Dr. Bernd Müller-Röber, Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland (VBIO), Berlin